Warum wir uns selbst wie einen guten Freund behandeln sollten
Wir alle machen Fehler. Das gehört zum Leben. Doch wie gehen wir mit diesen Fehlern um?
Oft behandeln wir uns selbst viel härter, als wir jemals mit einem geliebten Menschen sprechen würden.
Ein innerer Kritiker meldet sich:
„Schon wieder hast du es falsch gemacht!“ oder „Du hättest es besser wissen müssen.“
Dieses Muster von Selbstverurteilung und Kritik scheint uns zu helfen – doch in Wahrheit verstärkt es nur Schuldgefühle und Scham.
Dabei stellt sich eine einfache, aber bedeutende Frage:
Warum fällt es uns so schwer, freundlich zu uns selbst zu sein?
Warum Selbstkritik uns nicht wachsen lässt
Viele Menschen glauben, dass Selbstkritik notwendig ist, um sich weiterzuentwickeln.
„Wenn ich mir meine Fehler nicht vorhalte, lerne ich ja nie daraus“, könnte man denken.
Doch tatsächlich wirkt Selbstkritik oft wie ein unsichtbares Gewicht, das uns zurückhält.
Es nährt das Gefühl, nicht gut genug zu sein, und lässt uns in einem Kreislauf aus Scham und Selbstzweifeln stecken.
Stell dir vor, ein Kind lernt laufen. Es fällt hin, steht wieder auf und versucht es erneut.
Würdest du das Kind schimpfen, weil es hinfällt? Natürlich nicht!
Du würdest es ermutigen: „Du schaffst das! Versuch’s noch einmal.“
Warum also behandeln wir uns selbst nicht genauso?
Selbstmitgefühl: Ein sanfterer Weg zum Wachstum
Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst mit derselben Freundlichkeit und Nachsicht zu begegnen, die wir anderen schenken würden. Es ist kein Zeichen von Schwäche oder Ausrede für Fehler. Im Gegenteil: Es öffnet die Tür zu echtem Wachstum. Denn wenn wir uns selbst mit Verständnis begegnen, erlauben wir uns zu lernen, ohne uns ständig schlecht zu fühlen.
Der Psychologe und Selbstmitgefühls-Experte Dr. Kristin Neff beschreibt Selbstmitgefühl als das Zusammenspiel von drei Elementen:
- Selbstfreundlichkeit: Sich selbst trösten, statt sich zu verurteilen.
- Gemeinsame Menschlichkeit: Zu erkennen, dass Fehler zum Menschsein gehören.
- Achtsamkeit: Gefühle bewusst wahrnehmen, ohne sie zu unterdrücken oder zu übertreiben.
So kannst du Selbstmitgefühl in deinen Alltag integrieren
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Beobachte deinen inneren Dialog.
Wie sprichst du mit dir selbst, wenn etwas schiefgeht? Würdest du so mit einem Freund reden? Ersetze harte Worte durch mitfühlende Sätze wie:
„Das war nicht perfekt, aber ich gebe mein Bestes. Beim nächsten Mal mache ich es besser.“ -
Atempause bei Selbstkritik.
Sobald du merkst, dass der innere Kritiker lauter wird, halte inne. Atme tief durch und sage dir: „Ich lerne noch. Es ist in Ordnung, Fehler zu machen.“ -
Übe die 3-Minuten-Selbstmitgefühls-Übung:
- Erkenne: „Ich bin gerade in einer schwierigen Situation.“
- Erinnere dich: „Fehler machen ist menschlich.“
- Sei freundlich: „Ich verdiene Mitgefühl und Verständnis.“
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Schreibe dir einen Brief.
Wenn du einen Fehler gemacht hast, schreib dir einen Brief, als wäre er für einen guten Freund bestimmt. Was würdest du ihm sagen? Diese Perspektive hilft, Mitgefühl für dich selbst zu kultivieren.
Selbstmitgefühl macht dich stärker, nicht schwächer
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Selbstmitgefühl uns „weich“ oder nachlässig macht. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall: Wer sich selbst mit Freundlichkeit begegnet, hat mehr Mut, Risiken einzugehen und Neues zu lernen.
Denn die Angst vor dem Scheitern wird durch die Gewissheit gemildert, dass man sich selbst nicht verurteilen wird.
Nächstes Mal, wenn du einen Fehler machst, probiere es aus:
- Halte inne.
- Atme tief durch.
- Sage dir: „Ich bin noch am Lernen. Es ist in Ordnung.“
Du wirst sehen, wie viel leichter es sich anfühlt, wenn der innere Kritiker schweigt und an seiner Stelle ein freundlicher, unterstützender innerer Dialog entsteht.
Selbstmitgefühl ist die Kunst, sich selbst die Hand zu reichen – besonders dann, wenn man fällt.
Fazit:
Selbstkritik mag uns vertraut sein, doch sie hält uns fest. Selbstmitgefühl hingegen öffnet uns den Weg zu echtem Wachstum. Sei also sanfter mit dir.
Sprich mit dir wie mit einem guten Freund.
Denn du verdienst dieselbe Liebe und Geduld, die du anderen gibst.
Du schaffst das. Du bist am Lernen. Und das ist genug.